Am liebsten würde ich sagen: Dieser Selbstoptimierungswahn ist Bulls’*! – aber dann wird der Beitrag von Google schlecht gerankt, also: er ist Schwachsinn. Totaler Schwachsinn.
Es ist bewiesen: In Zeiten des Lockdowns fallen die meisten Familien in alte Rollenmuster zurück. Die Frauen beschäftigen die Kinder und halten den Männern den Rücken frei, die im Nebenzimmer Telefonkonferenzen führen. Viele dieser Frauen versuchen nebenher – also neben den brüllenden, lachenden, tobenden Kindern – noch zu arbeiten, sie daheim zu unterrichten, den Haushalt zu führen und zu kochen. Und auch wenn es viele Familien gibt, wo beide an einem Strang ziehen: Wenn beide Eltern Arbeit, Kinderbetreuung, Haushalt und auch noch Selbstfürsorge unter einem Hut bringen sollen, klingt das eher nach Unmöglichkeit als nach einer guter Idee. Wieso also poppen immer mehr Tipps für das optimale Ausnützen dieser Quarantäne-Zeit auf? Yoga-Kurse, Selbstfindungstraras, Challenges en masse. Der O-Ton: Nutze diese Zeit aus. Nur wofür? Um besser zu werden? Besser als wer? Ist das das Ergebnis einer Leistungsgesellschaft, die dazu gezwungen wird stillzustehen?
Deshalb: Das sind die Gründe, warum Selbstoptimierung in der Quarantäne nicht drin ist:
1. Es braucht Zeit sich im neuen Alltag einzugrooven, das allein ist schon Aufwand genug
Der neue Alltag ohne Termine, ohne soziale Kontakte, ohne Hilfe von Außen ist kein Urlaub. Es ist ein Alltag mit Challenges, die manchmal leicht und machmal schwer zu bewältigen sind. Aber vor allem braucht es, wie bei allen Dingen und neuen Situationen, die Zeit, um sich in der neuen Phase zurechtzufinden.
2. Weil die Nachrichten von „der Außenwelt“ so creepy sind, dass es respektlos scheint, diese Zeit als „Segen“ zu betiteln
Vor unseren Haustüren wütet eine Pandemie. Eine Krankheit, die neuartig und somit weitgehend unerforscht ist, treibt ihr Unwesen. Menschen in „systemrelevanten Berufen“ sind überarbeitet und überfordert. Und ich sollte das 24/7 ignorieren und so tun, als wäre diese Zeit mit der Familie einfach nur schön? Naja…
3. Weil Kinder super sind. Wenn man sie ab und zu abgeben kann.
Kinder sind mega. Wirklich. Ich habe zwei davon und weiß wovon ich spreche. ABER: Wenn beide bei mir sind und um mich herumwuseln, komme ich zu nichts. Und wenn ich zu was komme, dann verursachen die beiden in der Zwischenzeit das nächste Chaos, das es zu beseitigen gilt. Selbstoptimierung gelingt also nur dann, wenn man alleine ist. Nur ist man das im Lockdown als Mama so gut wie nie.
4. Weil es ohne Freunde und Familie einsam ist
Die ersten Tage ohne Termine sind schön. Wenn aber dann Taufen ausfallen und Hochzeiten, wenn man den Besuch bei Freunden, die man ein halbes Jahr nicht mehr gesehen hat, aufschieben muss, wenn man weiß, dass es der Oma nicht gut geht, aber man nicht zu ihr darf… dann klingt dieser ganze Lockdown plötzlich nicht mehr so ganz nach Familienidylle.
5. Weil wir uns nicht noch mehr Druck machen sollten
Angenommen ich hätte keine Kinder – ich würde mich von Chips und Netflix ernähren und mal nichts tun. Klar, dass wird vielleicht langweilig aber der ständige Druck von außen, der einem suggeriert DASS dies langweilig ist, würde maßgeblich dazu beitragen, dass ich ein schlechtes Gewissen habe. Dasselbe gilt für Eltern. Uns wird eingeredet, dass wir JETZT Zeit hätten dies und jenes zu tun… dieses ständige schlechte Gewissen, das uns gemacht wird, wenn wir nicht rund um die Uhr was leisten oder unternehmen… einfach NEIN!
6. Weil viele Familien in dieser Zeit weder Außenfläche noch eine große Wohnungen haben und Mütter eher beschäftigt sind nicht durchzudrehen, als ihre innere Göttin zu finden
Dieses: „genießt diese Zeit mit der Familie“ kann doch nur von Menschen kommen, die in einer Villa mit Garten leben, oder? Was ist mit all denen, die auf engem Raum wohnen? Wo sollen die sich bitte zurückziehen und sich „Zeit nehmen“?
7. Weil es verdammt noch mal genügt, wenn wir jeden Tag einzeln schaffen, ohne uns gegenseitig an die Gurgel zu gehen
Das gilt übrigens nicht nur für die Quarantäne. Und das bedeutet auch nicht, dass wir unsere Familie nicht über alles lieben. Das ist menschlich. Weg mit dem schlechten Gewissen, dem Druck. Wir müssen nicht ständig besser sein, als wir sind.
Wir sind gut genug.
Ich bin gut genug.
Du bist gut genug.
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Silvia meint
Danke für diesen befreienden, wertvollen Beitrag! ❤️ So wahre, ehrliche Worte…
Nicole meint
Wundervoll❤️Dankeschön!
Wir sind gut genug. Immer!