2016. September. Die Sonne scheint im Land der ewigen Jugend, der immerwährend guten Laune und des fabelhaften Essens. Die Sonne scheint und die Gemüter sind erhitzt. Denn im Jahre 2016 ruft die italienische Ministerin Beatrice Lorenzin den „feritility day“ ins Leben. Einen Tag, der mit sexistischen und beleidigenden Postern Frauen dazu auffordert sich zu vermehren. Jetzt.
Mit Sprüchen wie „Fruchtbarkeit ist ein Allgemeingut“ (ist es das?) oder „Schönheit kennt kein Alter, deine Fruchtbarkeit schon!“ wirbt die Ministerin – die übrigens selbst „erst“ mit 43 Mutter geworden ist – für mehr Kinder.
Dabei werden „natürlich“ nur Frauen angesprochen. Mit Bildern von Sanduhren, quietschgelben Smileys und peinlichem Shutterstock-Design aller Art, drängt man Frauen zur Reproduktion. Doch Italien macht es sich einfach. Anstatt Probleme wie die Arbeitslosigkeit der Jugend, mangelnde und schlechte Kinderbetreuung und eine gerechte Aufteilung zwischen Mutter – und Vaterkarenz in Angriff zu nehmen, wird die Gebärmutter der Frau als Sündenbock hergeholt. Mal wieder.
Bei einem Gespräch mit meiner Oma erfuhr ich vor kurzem, dass vor nicht allzu langer Zeit die Pfarrer in den Dörfern Frauen besuchten, die nicht jedes Jahr ein Kind in die Welt setzten. Das war alles andere als ein höflicher Besuch, sondern vielmehr eine Ermahnung – denn Kinder zu gebären sei ja ihre einzige Aufgabe und der sollten sie gefälligst nachkommen. Seriously? Genauso wie die altbackenen Geistlichen anno dazumal, oder der Aufruf nach mehr Soldaten (ergo mehr Söhne) während der Weltkriege, will sich nun auch Lorenzin in die Häuser der Frauen einschleichen und „gehet und vermehret euch“ predigen. Nein danke.
Die Rahmenbedingungen für das Kinderkriegen in der Generation Y – wie sie so liebevoll (oder auch nicht) genannt wird – sind schlecht. Sehr schlecht. Lange Ausbildungszeiten, viel zu viele Praktikas, niedere Einstiegsgehälter. Ganz zu schweigen von der Aussichtslosigkeit sich jemals ein Haus oder zumindest eine Wohnung leisten zu können. Der Durchschnittsitalienier kann froh sein, wenn er es mit Mitte 30 schafft von Zuhause auszuziehen. Und dann, so Lorenzin, tickt ja noch diese Uhr, die unbedingt „richtige Vollblutitaliener“ zeugen will.
Wer trotz aller Rahmenbedingungen doch noch Kinder in die Welt setzt, ist mittlerweile beinahe schon mutig töricht. Die Zukunft ist heutzutage meist ungewiss, mit einem Kind umso mehr. Gerade deshalb sollte Italien seine Ärmel aufkrempeln und an besseren Voraussetzungen für junge Familien arbeiten. All die Probleme auf die schwindende Fruchtbarkeit der Frau zu reduzieren ist viel zu banal. Und viel zu unfair.
September 2016 in Italien also. Allem Anschein nach hat sich in der Bevölkerung einiges geändert. Nur die Politik ist die gleiche geblieben und fordert – mit faschistoiden Zügen wie eh und je – nach mehr Nachkommen. Wie im fernen 1930.
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